Sommerkorn

Conil in Zahlen:

18.000 Einwohner
Mehr als 3.000 Sonnenstunden im Jahr
16 Kilometer durchgehender Strand
1 Stadttor
362 Kneipen, Bars, Restaurants und Cafés.


Erster Eindruck aus der Ferne:
Conil ist tatsächlich einer jener Bilderbuchorte Andalusiens aus den Reiseführern. Malerisch kauern die gekalkten Häuser am Hang über dem unendlich weiten und breiten Strand des Atlantiks. Conil - aus der Totalen eine Postkartenschönheit. Andalucia, pueblo blanco, weißes Dorf, plärren die Prospekte. Das letzte Paradies, el ùltimo paraiso.



Aus der Nähe freilich sieht das schon anders aus, und das ist auch gut so. Weder ist Conil eine gelangweilte paradiesische Schönheit, noch ist es ein Dorf. Conil ist eine Stadt, zumindest ein Städtchen mit bald 20.000 Menschen, die immer hier leben. Das bedeutet viel, eine funktionierende Infrastruktur nämlich, mit allem, was zu einer Stadt gehört. In kleinen und größeren Läden, in Haushaltsgeschäften und Werkstätten, in Bars und Restaurants herrscht der Alltag der Conileñer. Auch die Straßen und Gassen, die sich hangabwärts dem Meer nähern, gehören nicht dem Billigtourismus mit den sonst üblichen Andenkenbuden, Tuchboutiquen, Sonnenölschuppen.

Conil ist wie das Meer: liebenswürdig und listig, strahlend und hart.

Liebenswürdig: das heitere Tanzen und Singen auf den fiestas und ferias. Wenn Jung, Mittel und Alt sich putzt, schminkt und schön macht.

Listig: wenn die Fischer im Mai und Juni die würdevollen Thunfische heimtückisch in einer raffinierten Netzfalle fangen und anschließend die riesigen Tiere in einer rituellen Handlung mit Harpunen erlegen. Und die Japaner freuen sich. In den Nobelrestaurants Tokios gilt der Conil-Tuna als Krönung der Sushi-Schöpfung.

Strahlend: mehr als 3000 Sonnenstunden im Jahr, hier ist die Gegend Nomen und Omen - Costa de la Luz, die Lichtküste strahlt in Blau und Weiß.

Hart: Wenn der Ostwind mit dem harmlosen Namen Levante sich meldet, dann ist Schluss mit sanftem Tourismus, dann duckt sich, wer kann. Mit Orkangeschwindigkeit fetzt der Levante die Gassen blank, und der Strand mutiert zur sturmdurchtosten Wüste. Rette sich, wer kann.

Ach, der Levante - alles Schlechte hängen die Conileñer diesem Wind an, an allem ist er Schuld - auch wenn er nur ein paar Tage im Jahr bläst: Dickleibigkeit und Depression, Diabetes und Diarrhöe: Levante.
Unter den pensionierten Fischern, die an der Puerta de Cadiz rumhängen, ist das Thema unerschöpflich, die Alten, deren Gesichter von Sonne und Wind ledern geworden sind, sagen: Es ist der Levante, warum Enkel Antonio sitzen geblieben ist; der Levante war es, weshalb der fiese Nachbar José sich mit einem Strick um den Hals und einem Stein dran im Fluss, im rio salado, ersäuft hat; der Levante war's, warum die Schwiegertochter mit Manolo fremdgegangen ist.

Einspruch der Verteidigung: Vielleicht aber ist er auch dafür verantwortlich, dass aus Conil nie im Leben ein Torremolinos werden kann. All inclusive, auch der Levante? Nix für zarte Pauschalurlaubsseelchen. Danke, Levante.

Christopher Sommerkorn




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